WEBVTT 0:00:03.748 --> 0:00:08.977 Stimmenthaltungen und erfundene Gebärmütter gegen den kubanischen Feminismus 0:00:12.376 --> 0:00:15.138 Wie groß wäre die Beteiligung an einem Referendum über 0:00:15.163 --> 0:00:18.697 über ein Familiengesetzbuch, wie es kürzlich 0:00:18.722 --> 0:00:24.156 in Kuba verabschiedet wurde, in einem anderen Land? Zweifelsohne, sehr niedrig. 0:00:24.181 --> 0:00:29.227 Im Jahr 2021 wurde in der Schweiz, einem Land mit einer langen Tradition der direkten Abstimmung, 0:00:29.252 --> 0:00:35.181 die gleichberechtigte Ehe mit einer Wahlbeteiligung von 52 % angenommen 0:00:35.206 --> 0:00:40.541 In Italien erreichte das letzten Referendum, das fünf Konsultationen umfasste, 0:00:40.566 --> 0:00:44.518 nur 20 % der Bevölkerung. 0:00:44.543 --> 0:00:53.090 Es erscheint daher fast schon komisch, wenn man liest, dass die Wahlbeteiligung von 74 % 0:00:53.115 --> 0:00:59.050 beim kubanischen Referendum auf eine "hohe Enthaltungsquote" zurückzuführen sei. Das Argument: 0:00:59.075 --> 0:01:05.675 Beim letzten Referendum, bei dem die Verfassung angenommen wurde, lag die Wahlbeteiligung bei 84 %. 0:01:05.700 --> 0:01:10.468 Ein demagogischer Vergleich, wenn man bedenkt, wie unterschiedlich die Themen sind: 0:01:10.493 --> 0:01:15.362 bei dem einen geht es um die langfristige politische Zukunft einer Nation, bei dem anderen 0:01:15.387 --> 0:01:21.504 um eine außergewöhnliche Ausweitung von Rechten, die aber für viele Menschen 0:01:21.529 --> 0:01:26.669 - in Kuba und in jedem anderen Land - kein zentrales Thema in ihrem Leben darstellt. 0:01:26.694 --> 0:01:32.407 Dies gilt umso mehr angesichts der gravierenden wirtschaftlichen Engpässe, die die Insel derzeit durchlebt. 0:01:32.432 --> 0:01:38.042 Aber die Medien haben nicht nur die hohe Wahlbeteiligung in eine hohe Wahlenthaltung verwandelt, 0:01:38.067 --> 0:01:44.895 sondern auch einen überwältigenden Sieg für die Befürworter (66 %, doppelt so viel wie die Neinstimmen) 0:01:44.920 --> 0:01:48.460 in eine "hohen Stimmenzahl zur Abstrafung der Regierung". 0:01:48.485 --> 0:01:54.540 "Ein Referendum mit einer historischen Anzahl von Nein-Stimmen", so das spanische Fernsehen. 0:01:54.565 --> 0:01:59.684 "Wenn man Enthaltungen, Nein-Stimmen, ungültige Stimmen und leere Stimmen hinzurechnet (...) 0:01:59.709 --> 0:02:06.683 hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung die von den Behörden geförderte Gesetzgebung nicht unterstützt",fügte El País hinzu. 0:02:06.708 --> 0:02:12.362 Dies ist die gleiche Botschaft, die die US-Regierung über ihr Netzwerk subventionierter Medien verbreitet. 0:02:12.387 --> 0:02:18.126 So titelte "Diario de Cuba": "Mehr als vier Millionen Kubaner haben Nein zum Sozialismus" gesagt 0:02:18.151 --> 0:02:22.861 Aber sehen wir uns die Daten genauer an. Bereits bei der vorangegangenen Volksbefragung, 0:02:28.379 --> 0:02:34.303 bei der der Kodex in den Stadtvierteln und Fabriken diskutiert wurde, 0:02:34.328 --> 0:02:38.433 gab es einen hohen Prozentsatz von Menschen, die zwar die Revolution unterstützen, 0:02:38.458 --> 0:02:43.375 sich aber aus konservativen moralischen Positionen heraus gegen den Text ausgesprochen haben. 0:02:49.868 --> 0:02:54.613 Ein hoher Prozentsatz der Nein-Stimmen war also nicht als Ablehnung des Systems oder der Regierung zu verstehen. 0:02:54.638 --> 0:03:01.673 Natürlich gab es neben dem Nein auch konterrevolutionäre Stimmen und einen höheren Prozentsatz an "Proteststimmen", die sich aus der extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage ergaben. 0:03:01.698 --> 0:03:07.013 In jedem Fall gewann das von der Regierung unterstützte Ja haushoch, 0:03:07.038 --> 0:03:09.771 mit doppelt so vielen Stimmen wie das Nein. 0:03:09.796 --> 0:03:12.955 Andererseits haben Medien wie die spanische Zeitung "Público" 0:03:12.980 --> 0:03:17.132 als Plattform für Angriffe auf das Familiengesetzbuch gedient, 0:03:17.157 --> 0:03:23.682 und zwar aus vermeintlich "progressiven" Positionen. "Es gibt bereits eine Leihmutterschaft in Kuba", 0:03:23.707 --> 0:03:29.777 so lautete die Überschrift eines Artikels von Cristina Fallarás, in dem sie ungestraft lügt: 0:03:29.802 --> 0:03:36.418 "Das Paket dieses Gesetzes beinhaltet auch die Genehmigung der Leihmutterschaft", 0:03:36.443 --> 0:03:42.930 lesen wir. Falsch: Die "solidarische Schwangerschaft", die im kubanischen Gesetzbuch zugelassen ist, 0:03:42.955 --> 0:03:48.756 verbietet jede Zahlung oder Leistung, wie sie für die so genannte "Leihmutterschaft" typisch ist. 0:03:48.781 --> 0:03:52.939 Sie ist nur zwischen Verwandten und innerhalb der Solidargemeinschaft erlaubt 0:03:52.964 --> 0:03:58.036 und muss ein Verfahren mit Garantien und gerichtlicher Genehmigung durchlaufen. 0:03:58.061 --> 0:04:03.902 Man kann diesem Modell zustimmen oder es ablehnen, darf aber auf keinen Fall lügen. 0:04:03.927 --> 0:04:09.197 In einem Bericht im demselben Medium und mit demselben Ton der Überheblichkeit bezeichnete 0:04:09.222 --> 0:04:15.174 Marisa Kohan die kubanische "solidarische Schwangerschaft" als "Euphemismus" 0:04:15.199 --> 0:04:20.418 für die "reproduktive Ausbeutung von Frauen" und stützte sich dabei ausschließlich 0:04:20.443 --> 0:04:24.523 auf die Meinung europäischer Juristen und Soziologen. 0:04:24.548 --> 0:04:29.518 Warum sollte man auch kubanische Juristen, Soziologen und Feministen fragen? 0:04:29.543 --> 0:04:36.830 Am komischsten war jedoch ihr Interview mit der "Expertin" Ana Trejo, die behauptete, 0:04:36.855 --> 0:04:41.980 dass in Kuba "nur wenige Frauen bereit sind, eine solidarische Schwangerschaft durchzumachen","ohne eine Entschädigung, 0:04:42.005 --> 0:04:49.582 zu erhalten", die es ihnen ermöglichen würde, "Schulden zu begleichen" oder "ihre Kinder erziehen zu können". 0:04:49.607 --> 0:04:54.733 Ihre Kinder erziehen zu können! Was für ein außergewöhnlicher Einblick in die Realität Kubas, 0:04:54.758 --> 0:05:00.018 wo die Bildung - einschließlich der Hochschulbildung - völlig kostenlos ist. 0:05:00.043 --> 0:05:04.962 Es spielt keine Rolle, dass das Familiengesetzbuch das kollektive Werk 0:05:04.987 --> 0:05:10.078 tausender militanter Feministinnen und LGTBIQ+-Aktivistinnen ist, 0:05:10.103 --> 0:05:14.750 dass es von Dutzenden von Kollektiven und Studienzentren beraten wurde, 0:05:14.775 --> 0:05:19.998 dass es von sechs Millionen Menschen in 79.000 öffentlichen Versammlungen diskutiert und geändert wurde, 0:05:20.023 --> 0:05:27.867 in denen übrigens die so genannte "Gebärmutter zur Miete" abgelehnt wurde. Nein, die kubanischen Feministinnen müssen Trauer tragen, denn die arrogante 0:05:35.669 --> 0:05:40.817 und neokoloniale Metropole hat ihnen noch nicht den nötigen Segen erteilt. Amen. 0:05:40.842 --> 0:05:45.000 Überetzung & Untertitel: Klaus E. Lehmann